JULI ’23: Liedinterpretation online

In der Rubrik „OER-Tipp des Monats“ stellen wir regelmäßig ein besonderes Projekt oder Material vor, das über das Landesportal ORCA.nrw offen und frei für Lehre und Lernen verfügbar ist. Im Juli geht’s thematisch an die Musikhochschulen, genau gesagt an die Folkwang-Universität der Künste nach Essen. Dort hat Pianistin Tatjana Dravenau das Projekt „Liedinterpretation online“ ins Leben gerufen, das die Musikwissenschaft aktiv mit der Literaturwissenschaft verbindet.

 

DAS MATERIAL

Gedichte werden oft und gerne von Komponistinnen und Komponisten interpretiert. Zum Beispiel das bekannte Werk „Es weiß und rät es doch keiner“ von Joseph von Eichendorff: Es gibt zahlreiche musikalische Varianten, von Felix Mendelssohn, Robert Schumann oder Hermann Goetz. Und jede ist unterschiedlich und kann wiederum ganz individuell interpretiert werden. Genau hier setzt das „Liedinterpretation online“ an, denn das durchs Programm digi-Fellows geförderte Projekt verbindet auf moderne und einfache Art die Musikwissenschaft mit der Literaturwissenschaft. Auf der Seite lässt sich nach Komponistinnen und Komponisten, Dichterinnen und Dichtern sowie Titeln filtern, wobei sämtliche Kombinationen möglich sind. Zu jeder Auswahl erhält man am Ende eine literaturwissenschaftliche Analyse, eine musikwissenschaftliche Analyse sowie die Klavieraufnahme des Werks.

 

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

Die Idee zum Projekt hatte Tatjana Dravenau von der Folkwang-Universität der Künste in Essen. Ihr war aufgefallen, dass Studierende zum Teil Schwierigkeiten in der musikalischen Gestaltung hatten, die vor allem durch ein besseres Textverständnis behebbar wären. Die Lösung: ein effizienter interdisziplinärer Austausch zwischen der Musikwissenschaft der Folkwang-Universität der Künste in Essen sowie dem Literaturwissenschaftlichen Institut an der Ruhr-Universität Bochum sowie der Universität Duisburg-Essen. Das Ziel war die Erstellung eines Online-Formats, mit dessen Hilfe Studierende das textliche Kontextwissen für eine optimale musikalische Gestaltung erlangen, das Ergebnis war „Liedinterpretation online“. Zurzeit wird das Projekt vor allem im Seminar „Lied und Lyrik“ an der Folkwang-Universität angewendet und stetig erweitert, denn mit jedem Semester wächst der Fundus an Materialien. Prüfungsleistung für Studierende ist nämlich unter anderem, eine wissenschaftliche Analyse zu verfassen, die nach einer redaktionellen Bearbeitung auf der Seite veröffentlicht wird.

Tatjana Dravenau mit den Studierenden beim Abschlusskonzert

Zufriedene Gesichter beim Abschlusskonzert: Tatjana Dravenau (links) Anfang Juli mit den Studierenden des Seminars „Lied & Lyrik“ | © Julian Duprat Petrich

 

ZIELSETZUNG

Durch „Liedinterpretation online“ sollen sich vor allem Studierende der Fächer Gesang, Klavier und Liedgestaltung an den Kunst- und Musikhochschulen qualitativ hochwertig und trotzdem zeit- und ortsungebunden mit der Literatur hinter der Musik auseinandersetzen. Das soll zum einen hochwertiges Lernen in den Einzelstunden ermöglichen, zum anderen gerade in der Studieneinstiegsphase den Horizont erweitern und zeigen, dass es nicht die eine richtige Interpretation gibt, sondern – wie im oben genannten Beispiel von Eichendorff – mehrere unterschiedliche.

 

DIE ERSTELLERINPorträt von Tatjana Dravenau

Tatjana Dravenau ist Pianistin und Autorin und unterrichtet seit 2008 das Fach vokale Korrepetition/Liedgestaltung an der Folkwang-Universität der Künste in Essen. Ihr Klavierstudium begann sie an der Folkwang-Hochschule in Essen und schloss es am College of Music and Drama im walisischen Cardiff mit Auszeichnung ab. Ihr Repertoire als Liedbegleiterin vertiefte sie an der Hochschule für Musik und Theater in München, und parallel zu ihrer künstlerischen Ausbildung erwarb sie das Diplom Musikpädagogik in Essen sowie den Master of Arts/Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Dravenau entwickelt, spielt und leitet Konzertprogramme, in denen Lieder und Solowerke sowie Lyrik und Prosa durch ein gemeinsames Thema verbunden sind.

 

PERSÖNLICHE NUTZUNGSEMPFEHLUNG

Tatjana Dravenau: „’Liedinterpretation online‘ kann sowohl für den Präsenz- als auch den Online-Unterricht genutzt werden. Ich würde es allerdings nicht dabei belassen, dass sich die Studierende die Texte zu Hause durchlesen sollen, sondern sie danach in Präsenz thematisieren. So findet man nicht nur heraus, wie Studierende zum Beispiel die Loreley interpretieren, sondern auch, wie sie sie musikalisch darstellen wollen. Ich würde mich darüber hinaus aber auch freuen, wenn Lehrende an allgemeinbildenden Schulen mit dem Material arbeiten würden. Das Konzept eignet sich wunderbar, um beispielsweise im Deutsch- und Musikunterricht parallele Unterrichtseinheiten zu gestalten. Die Lehrkräfte müssten sich nur untereinander absprechen, und dann könnte einer Gedichtanalyse im Fach Deutsch eine Liedanalyse im Fach Musik folgen.“

 

 

Zum Material „Liedinterpretation online“

 

Vorschläge für einen „OER-Tipp des Monats“ nehmen wir gerne mit einer kurzen Begründung sowie der Nennung einer Ansprechperson samt Kontaktdaten unter redaktion@orca.nrw entgegen.

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