Abenteuer USA – Boris Cepedas einzigartiger Weg geht weiter

Pianist Boris Cepeda hat schon einiges erlebt. Als Kind trat er in seiner Heimat Ekuador im Fernsehen auf, als Jugendlicher füllte er Konzertsäle, und nach der Schulzeit brach er auf in die weite Welt. Bis vor Kurzem war er Dozent an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf und kreierte OER-Materialien, die auf ORCA.nrw abrufbar sind. Ein Porträt über einen, der für die Klassik lebt, dessen Werdegang aber alles andere als klassisch ist. 

 

Während in den Büros der Geschäftsstelle von ORCA.nrw nur die Jalousien vor der Nachmittagssonne schützen können, wird es bei Boris Cepeda gerade erst richtig hell. Über 7.000 Kilometer von NRW entfernt befindet sich der 48-Jährige, genau gesagt in Atlanta, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Georgia. Vor fünf Tagen ist Cepeda mit seiner Frau und zahlreichen Umzugskartons ausgewandert. Ein echter Neuanfang, doch in seinem Sportshirt und mit einem Lächeln im Gesicht wirkt er, als wäre er schon angekommen. Cepeda strahlt Zuversicht und Optimismus aus.

In Deutschland hat sich Boris Cepeda einen Namen gemacht – als Dirigent, Pianist und Arrangeur klassischer Musik. Der gebürtige Ekuadorianer hat in seiner Laufbahn Preise gewonnen und Orden verliehen bekommen, er hat Stipendien erhalten und Konzertsäle im In- und Ausland gefüllt. Und nebenbei war er Dozent an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf. 2019 fing er dort an, damals gab es einen personellen Engpass an der Fakultät, und Cepeda wurde gefragt. Pädagogik und Didaktik seien schon länger Teil seines Schaffens gewesen, bei der Arbeit mit Sängerinnen und Sängern zum Beispiel, sagt Cepeda. Der Ansatz, mehr Praxisbezug in die Lehre zu integrieren, gefiel ihm auch. Also sagte er zu und saß fortan nicht mehr nur auf der großen Bühne, sondern auch im kleinen Seminarraum. Ein Berufsleben zwischen Noten lesen und Noten geben.

 

Mit fünf Jahren schon im Fernsehen

Boris Cepeda ist ein Mensch, der früh offen für Neues war, der gerne ausprobiert. Sein Lebenslauf ist anders. Mit fünf Jahren trat er in seiner Heimat Ekuador das erste Mal in einer Fernsehsendung auf, natürlich am Klavier. 1980 war das, ein Jahr später, mit sechs, gab er sein erstes Konzert in der Hauptstadt Quito. Da kannten ihn die Leute schon und kamen, um den kleinen Jungen am großen Piano zu sehen. Mit 14 folgte sein erster Auftritt in den Vereinigten Staaten, mit 18 fasste er den Entschluss, fürs Studium nach Deutschland zu gehen. Es folgten unzählige Auftritte, Arrangements und viel Applaus.

Cepeda freute sich 2019 darauf, diese Erfahrungen in Düsseldorf an die jüngere Generation weiterzugeben. Sein Lehrgebiet an der Robert Schumann Hochschule war das Partiturspiel, also das Herunterbrechen der Noten für ein gesamtes Orchester und die anschließende Wiedergabe der wesentlichen Partitur auf dem Klavier. Jemand mit seiner Vita ist generell beliebt bei den Studierenden. Und sie merkten schnell, dass Cepeda nicht nur einen bekannten Namen hatte, sondern auch die Lehre in seinem Bereich optimieren wollte. Doch nach kurzer Zeit bremste die Pandemie. Eine Katastrophe für die Musikausbildung, in der das Gehör, das Gespür und der Austausch zwischen Lehrendem und Studierendem so essenziell sind. Ein Student fragte Cepeda in einer der ersten Online-Stunden, ob es zur Unterstützung nicht eine Anleitung im Internet gäbe. „Es gibt doch alle möglichen Tutorials, ob zum Möbelaufbau oder anderem“, dachte Cepeda damals. Doch nach kurzer Recherche stellte er fest, dass nichts zu seinem Spezialgebiet zu finden war. Die Idee zum OER-Projekt „Repetitor 2.0“ war geboren.

Boris Cepeda am Klavier

Abenteuer in der Stadt der Musik

Ein Online-Interview mit Boris Cepeda mitten in seinem Umzugsstress zu arrangieren, ist kein Problem. Nicht einmal fünf Minuten dauert die Absprache, am nächsten Nachmittag findet das Gespräch über Zoom statt. Man merkt in der Unterhaltung schnell: Cepeda mag die Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt. Er sei gespannt, wie genau in den Vereinigten Staaten diese neuen Chancen in der Musik und auch in der Lehre genutzt würden. Dann erklärt er, warum ihn sein Weg nach Georgia führte. „Zum einen ist Atlanta die Musikstadt in den USA. Zum anderen hat meine Frau vor 30 Jahren hier als Au-pair gearbeitet und bis heute Kontakt zu vielen Menschen gehalten. Das erleichtert den Einstieg ungemein“, sagt er und ergänzt, dass die beiden bald wahrscheinlich schon in ein Haus ziehen können. Und danach? „Mal gucken“, sagt er und vermittelt trotzdem den Eindruck, dass er einen Plan hat. „Ich will hier als Dirigent und Pianist arbeiten. Das Problem: Ich bin noch nicht so bekannt.“

Boris Cepeda auf der Bühne, davor Zuschauer, die klatschen

 

Bescheidenheit schwingt in seiner Aussage mit, denn so ganz stimmt sie nicht. Cepeda hat schon oft in den Vereinigten Staaten gespielt, erst letztes Jahr in New Yorks legendärer Carnegie Hall. Das Konzerthaus an der Ecke der 57th Street und 7th Avenue inmitten von Manhattan ist eines der renommiertesten der USA, allein der Blick auf Bilder der Bühne sorgt für einen Anflug von Ehrfurcht. 180 Personen kamen zum Konzert, es existieren Fotos, auf denen Boris Cepeda im schwarzen Anzug und mit seinem Flügel auf der Bühne zu sehen ist – um ihn herum Stehende Ovationen. Keine schlechte Voraussetzung zum Start ins „Abenteuer USA“, wie er es selbst nennt. Zumal da ja noch ein zweites Standbein ist. „Mit den Universitäten werde ich auch Kontakt aufnehmen und ihnen von meinen Erfahrungen berichten“, sagt Cepeda und setzt dann noch einmal mit den beiden Wörtern an: „Mal gucken, was sich damit hier machen lässt.“

 

Cepedas OER bleiben

In seinem OER-Projekt „Repetitor 2.0“ sind über zwei Jahre hinweg insgesamt 35 Videos entstanden, allesamt gefördert im Rahmen des digiFellow-Programms der Digitalen Hochschule.nrw. Abrufbar sind die Materialien auf dem Landesportal ORCA.nrw. Man sieht meistens in einem kurzen Clip die Hände von Boris Cepeda am Flügel, er spielt, und danach gelangt man in einen interaktiven Modus, muss Fragen beantworten oder sich zwischen Antwortmöglichkeiten entscheiden. Am Ende sollen die Studierenden Klavierreduktionen einer Orchester-Partitur erstellen können – die Grundvoraussetzung, um später selbst Dirigentin oder Dirigent zu werden. Die Rückmeldungen der Studierenden sind jedenfalls grandios. Auch der Student mit der Frage nach digitalem Material meldete sich, es sei ja genau das, was er sich vorgestellt hatte, am Ende des Projekts entstanden. „Das freut mich natürlich, und jetzt wünsche ich mir, dass das Material genutzt und auch weiterverwendet wird“, sagt Cepeda. Mit dem Ende der Vorlesungszeit vor wenigen Tagen endete erst einmal auch sein Weg als Dozent an der Robert Schumann Hochschule.

Ganz ohne den beliebten Dozenten müssen die Studierenden in Düsseldorf aber nicht auskommen – OER machen es möglich. Das erstellte Material soll in künftige Kurse an der Hochschule integriert werden. Und wer weiß: Vielleicht werden bald auch angehende Dirigentinnen und Dirigenten auf der anderen Seite des Atlantiks mit dem Material aus NRW arbeiten. Tag sechs in den USA hat schließlich gerade erst begonnen – und das große Abenteuer für Boris Cepeda auch.

 

Eine Woche nach dem Gespräch meldet sich Boris Cepeda per Mail. Ein schönes Haus in bester Lage in Atlanta haben seine Frau und er gefunden, jetzt könne es richtig losgehen. Ab August sei es nicht nur ihr neues Zuhause, sondern auch Standort der neuen European Piano Academy of Atlanta. Der Lehre bleibt Cepeda also auch in den Vereinigten Staaten treu.

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