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Darf ich Übersetzungen von Tools wie DeepL in meinen Materialien nutzen? – Fall des Monats Juni ’25

Das Team der Rechtsinformationsstelle ORCA.nrw unterstützt Lehrende aus Nordrhein-Westfalen bei rechtlichen Fragen. Im Format „Fall des Monats“ stellt es regelmäßig einen besonderen Sachverhalt vor, der sich aus einer zu bearbeitenden Anfrage oder aus aktueller Rechtsprechung ergibt.

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Ausgangspunkt

Eine Dozentin möchte für ein Open-Educational-Resources-Projekt wissenschaftliche Texte aus dem Englischen ins Deutsche möglichst fehlerfrei, präzise und effizient übersetzen lassen. Sie entscheidet sich für ein bekanntes KI-gestütztes Übersetzungstool wie DeepL. Die KI liefert überzeugende Ergebnisse. Doch bei der Veröffentlichung stellen sich rechtliche Fragen: Wem gehört die Übersetzung eigentlich? Darf die Dozentin die generierten Übersetzungen unter einer offenen Lizenz wie CC BY-SA veröffentlichen? Ob eine KI-gestützte Übersetzung überhaupt als schutzfähiges Werk gilt und ob ihre Nutzung rechtlich zulässig ist, hängt davon ab, ob eine menschliche schöpferische Leistung vorliegt und welche Nutzung des Originalwerkes erlaubt ist (vgl. § 2 Abs. 2 UrhG). Die Einordnung zwischen gemeinfreiem KI-Output und urheberrechtlich geschützter Bearbeitung ist dabei ebenso entscheidend wie die Betrachtung der Lizenzbedingungen der jeweiligen Plattform.

Rechtliche Bewertung

Bevor ein Ausgangstext zur Übersetzung in ein KI-System wie DeepL eingegeben wird, ist zunächst zu prüfen, ob dies urheberrechtlich zulässig ist. Nach dem Urheberrecht ist die Nutzung fremder Werke nur zulässig, wenn sie entweder gemeinfrei sind, eine Erlaubnis durch eine entsprechende Lizenz besteht, z.B. durch eine Individuallizenz oder einer Standardlizenz nach Creative Commons, oder gesetzliche Schranken, wie z.B. das Zitatrecht gem. § 51 UrhG oder die Schranke für Unterricht und Lehre gem. § 60a UrhG einschlägig sind. Ein urheberrechtlich geschützter Text darf also nicht ohne entsprechende Erlaubnis oder Rechtsgrundlage in eine KI eingespeist werden. Die Übertragung an das KI-System selbst kann zwar bei allgemein bestehendem Recht der Nutzung von § 44a Nr. 2 UrhG gedeckt sein, das gilt aber nicht mehr, wenn das System die Eingabe über die reine Übersetzung hinaus verarbeitet oder speichert. Vor der Nutzung fremder Inhalte sollte daher stets geprüft werden, was das KI-System mit der Eingabe macht und ob eine Nutzungserlaubnis besteht.

Wird eine KI-gestützte Übersetzung generiert, stellt sich die Frage nach dem Schutz der generierten Version. Nach deutschem Urheberrecht ist eine Übersetzung eine Bearbeitung des Originalwerkes i.S.d. § 3 S. 1 UrhG. Die Übersetzung kann gem. § 3 S. 1 UrhG ein eigenes urheberrechtlich geschütztes Werk sein, wenn sie eine persönliche geistige Schöpfung ist. Die Voraussetzungen für eine persönliche geistige Schöpfung sind erfüllt, wenn die übersetzende Person eigenständige, kreative Entscheidungen trifft, wie bei Wortwahl, Satzbau oder Stil. Bei einer KI-gestützten Übersetzung, wie z.B. die durch DeepL, ist schon eine persönliche Schöpfung nicht gegeben, weil der Beitrag nicht von einem Menschen, sondern von der Maschine stammt. Die künstliche Intelligenz erfüllt nicht das für ein Werk zwingend erforderliche Merkmal der persönlichen Schöpfung, also einer menschlichen Schöpfung. Sie kann nicht Urheberin eines Werkes sein. Auch die Anwenderin der KI ist in diesen Fällen nicht Urheberin der Übersetzung, wenn sie lediglich den Ausgangstext eingibt und das Ergebnis unverändert übernimmt.

Dem noch vorgelagert ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine KI-generierte Übersetzung überhaupt angefertigt werden darf. Gem. § 23 Abs. 1 UrhG dürfen Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes nur mit der Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Im Rahmen der CC-Lizenzen ist dabei zu beachten, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen das Originalwerk erstmals vom Urheber veröffentlicht wurde. Bei Werken, die unter einer offenen Lizenz wie CC BY oder CC BY-SA stehen, ist eine Veröffentlichung von der Lizenz umfasst und damit erlaubt. Bei Werken mit der Lizenzbedingung CC ND (Non-Derivative) ist eine spätere Veröffentlichung nicht von der Lizenz umfasst. Non-Derivative bedeutet, dass keine abgeleiteten Werke, sondern nur exakte Kopien des Werkes veröffentlicht werden dürfen. Die Übersetzung durch eine KI gilt urheberrechtlich zumindest als andere Umgestaltung und würde damit gegen das Veränderungsverbot, das durch den Lizenztyp ND ausgedrückt wird, verstoßen. Im Ergebnis dürfen daher nur KI-generierte Übersetzungen, bei denen die Lizenz des Originalwerkes eine Bearbeitung erlaubt, als OER veröffentlicht werden.

Eine bloße gesetzliche Schranke, wie das Zitatrecht gem. § 51 UrhG, reicht für eine anschließende Veröffentlichung nicht aus. Das Zitatrecht fordert stets eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem verwendeten Werk, und dies kann eine KI typischerweise nicht erfüllen.

Fazit

KI-gestützte Übersetzungen werfen komplexe urheberrechtliche Fragen auf. Sie sind in der Regel nicht als eigene neue Werke geschützt, können aber dennoch unter bestimmten Voraussetzungen rechtssicher genutzt und veröffentlicht werden. Dabei ist bei der Eingabe in eine KI besonders auf bestehende Lizenzen und gesetzliche Schranken zu achten. Für eine spätere Veröffentlichung im Rahmen von OER sind nur solche Ausgangswerke geeignet, die eine Bearbeitung ausdrücklich erlauben, wie Werke mit einer CC BY oder CC BY-SA-Lizenz. Bei restriktiven Lizenzen, wie CC BY-ND, darf der generierte Output aufgrund der dadurch verbundenen Bearbeitung nicht veröffentlicht werden.

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Dürfen OER-Inhalte mit Canva erstellt werden? – Fall des Monats Mai ’25

Das Team der Rechtsinformationsstelle ORCA.nrw unterstützt Lehrende aus Nordrhein-Westfalen bei rechtlichen Fragen. Im Format „Fall des Monats“ stellt es regelmäßig einen besonderen Sachverhalt vor, der sich aus einer zu bearbeitenden Anfrage oder aus aktueller Rechtsprechung ergibt.

Eine Lehrende möchte für ein offenes digitales Lernmodul ansprechende grafische Materialien
erstellen. Dabei greift sie auf die populäre Design-Plattform Canva zurück, die durch ihre einfache
Bedienbarkeit und eine Vielzahl visuell ansprechender Gestaltungsmöglichkeiten überzeugt. Insbesondere
die integrierte Content Library macht es einfach, in kurzer Zeit professionell wirkende
Inhalte zu gestalten. Canva bietet eine breite Palette an Designelementen, darunter Bilder, Grafiken
und Schriftarten, die Nutzende zur Gestaltung eigener Inhalte verwenden können. Doch nach
der Fertigstellung stellt sich die Frage, ob Canva-Inhalte in Open Educational Resources (OER) verwendet
und veröffentlicht werden dürfen.

Ein zentrales Problem besteht darin, dass die Lizenzinformationen der einzelnen Elemente oft unklar
oder schwer auffindbar sind. Viele dieser Elemente stammen von Drittanbietern wie Pexels
und Pixabay, deren Lizenzbedingungen zusätzlich zu den eigenen Nutzungsbedingungen von
Canva beachtet werden müssen. Zwar gibt es eine „Free Content License“ von Canva für kostenlose
Inhalte, jedoch fehlen häufig klare Angaben zu offenen Lizenzen wie Creative Commons (z. B.
CC BY oder CC BY-SA), die für die Erstellung von OER erforderlich sind.

Für die Verwendung von Materialien zur Erstellung von OER ist es essenziell, dass die Inhalte,
wenn sie urheberrechtlich geschützt sind, unter einer offenen Lizenz stehen, die eine freie Nutzung,
Bearbeitung und Weiterverbreitung erlaubt. Urheberrechtlichen Schutz genießen gem. § 2
Abs. 2 UrhG Werke, also persönliche geistige Schöpfungen. Einfache geometrische Formen, die
unter anderem auch in Farbe und Form anpassbar sind, werden in der Regel keine solche Schöpfung
darstellen. Schriftarten können grundsätzlich ein urheberrechtlich geschütztes Werk darstellen,
wenn sie z.B. besonders aufwendige Zierschriften sind.

Laptop auf Teppich mit Oberfläche des Tools Canva

Canva ist aufgrund seiner einfachen Bedienbarkeit ein beliebtes Tool – aber eignet es sich zur OER-Erstellung?

Zwar dürfen selbst erstellte Inhalte grundsätzlich genutzt werden, problematisch ist jedoch die
Verwendung von Elementen aus der sogenannten Content Library. Diese kann, egal ob es sich
dabei um einen kostenlosen oder kostenpflichtigen Inhalt handelt, urheberrechtlich geschützte
Werke Dritter enthalten. Die von Canva eingeräumten Nutzungsrechte unterliegen dabei strengen
Einschränkungen. So sind alle Inhalte (einschließlich Bilder, Icons, Illustrationen, Videos, Audios,
Schriftarten und Templates) durch Urheberrechte geschützt. Canva und die jeweiligen Urheber
behalten sich sämtliche Rechte vor, die nicht ausdrücklich eingeräumt wurden. Die Lizenzbedingungen
regeln, dass die Inhalte z. B. für Schulprojekte, Social-Media-Beiträge, Printprodukte, Präsentationen
oder digitale Veröffentlichungen verwendet werden dürfen. Eine freie Veröffentlichung
im Sinne von OER, also unter einer offenen Lizenz wie z.B. CC BY, wird jedoch nicht abgedeckt.
Dies gilt auch für kostenlose Inhalte, da diese nicht unter offenen Lizenzen bereitgestellt werden, sondern nur unter den spezifischen Bedingungen von Canva. Werden Inhalte verschiedener Lizenzkategorien kombiniert (z. B. Free und Pro) gelten stets die strengeren Nutzungsregeln. Zudem behält sich Canva das Recht vor, Inhalte auszutauschen und die Lizenzen jederzeit anzupassen.

Für die reguläre Hochschullehre stellt Canva eine Nutzungslizenz bereit, die auch die Verbreitung
von Inhalten innerhalb geschlossener Lehrkontexte erlaubt. Diese Erlaubnis gilt jedoch nicht für
die Veröffentlichung als Open Educational Resource, da hierfür eine offene Lizenzierung erforderlich
wäre, die Canva nicht vorsieht. In diesen Fällen kann auf gesetzliche Schranken, wie z.B. auf
das Zitatrecht gem. § 51 UrhG zurückgegriffen werden, wenn eine inhaltliche Auseinandersetzung
mit dem genutzten Werk stattfindet. Da Inhalte aus der Content Library jedoch meist rein
dekorativen Charakter haben, scheidet diese Möglichkeit in der Praxis häufig aus. Eine freie, offene
Weitergabe, wie sie für OER erforderlich ist, ist dann durch die Lizenzbedingungen ausdrücklich
nicht gestattet.

Die Nutzung von Canva-Inhalten im Kontext von OER ist mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten
verbunden. Insbesondere die unklare Lizenzsituation und die Einbindung urheberrechtlich geschützter
Werke aus der Content Library machen eine offene Weitergabe im Sinne von OER problematisch.
Auch wenn die Plattform kreative Gestaltungsmöglichkeiten bietet, entspricht sie derzeit
nicht den Anforderungen an eine rechtskonforme OER-Erstellung. Für Lehrende und Bildungsakteure
ist es entscheidend, sich mit den Lizenzbedingungen der verwendeten Materialien vertraut
zu machen und sicherzustellen, dass diese mit den Prinzipien von OER übereinstimmen. Wer
rechtliche Risiken vermeiden möchte, kann auf selbst erstellte Inhalte oder auf Materialien aus
eindeutig lizenzierten, offenen Quellen zurückgreifen und gegebenenfalls alternative, quelloffene
Design-Tools in Betracht ziehen. Bei bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Lizenzlage sollte
rechtlicher Rat eingeholt werden.

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Welche Inhalte dürfen fürs Training von Sprachmodellen verwendet werden? – Fall des Monats April ’25

Das Team der Rechtsinformationsstelle ORCA.nrw unterstützt Lehrende aus Nordrhein-Westfalen bei rechtlichen Fragen. Im Format „Fall des Monats“ stellt es regelmäßig einen besonderen Sachverhalt vor, der sich aus einer zu bearbeitenden Anfrage oder aus aktueller Rechtsprechung ergibt.

Ausgangspunkt

Diese Ausgabe befasst sich mit der Eingabe von CC-lizenzierten Inhalten in Sprachmodellen zum Zwecke ihres Trainings. Sprachmodelle, sog. Large Language Models, sind in der Lage natürliche Sprache zu verstehen und zu generieren. Sie beruhen auf einem statistischen Modell, das Muster in Text- oder Sprachdaten identifiziert und diese nutzt, um Vorhersagen für zukünftige Texte oder Sprachdaten zu treffen, sie gelten daher als Künstliche Intelligenzen (KI) (https://www.intel.de/content/www/de/de/learn/large-language-models.html, letzter Aufruf: 16.04.2025). Um zuverlässige Ergebnisse zu erlangen, müssen diese Large Language Models trainiert werden, was unter anderem durch die Eingabe von Rohdaten geschieht. Es stellt sich die Frage, welche Inhalte für das Training verwendet werden dürfen. Hierbei wird ein Blick auf die relevanten CC-Lizenzen sowie auf möglicherweise einschlägige Schrankenregelungen geworfen.


Rechtliche Bewertung

Die Eingabe von Inhalten zum Training von Sprachmodellen ist regelmäßig als Eingriff in das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht anzusehen (1.). Bestehen keine Nutzungsrechte, so sind die Text- und Data-Mining-Schranke aus § 44b UrhG (2a.) und die Schranke für Text und Data Mining zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung aus § 60 d UrhG (2b.) zu prüfen. Hierzu wurde im September 2024 ein erstes Urteil vom Landgericht Hamburg verkündet.

1. Vervielfältigungen und Nutzungsrechte

Dem Urheber stehen die Verwertungsrechte für sein Werk zu, vgl. § 15 UrhG. Jede Nutzung, die das Verwertungsrecht des Urhebers einschränkt, ist ein Eingriff. Dieser kann rechtmäßig sein, wenn der Urheber gem. § 31 I UrhG Nutzungsrechte eingeräumt hat, Rechtfertigungsgründe vorliegen oder eine gesetzlich geregelte Schranke einschlägig ist. Die Eingabe von Werken in eine KI stellt einen Eingriff in die urheberrechtlichen Verwertungsrechte nach § 15 I UrhG dar, genauer einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht gem. § 16 UrhG des Urhebers (NJW; 2023, 3673 ff., Rn. 31). Nutzungsrechte ergeben sich in der Regel aus den Lizenzangaben. Die Nutzung ist bei Werken, die unter einer CC-0-, CC-BY- oder CC-BY-SA-Lizenz (https://www.orca.nrw/oer/oer-nutzen/cc-lizenzen/) veröffentlicht wurden unproblematisch, da die entsprechende Nutzung von der Lizenz umfasst ist. Bei Werken, die unter einer CC-BY-NC, CC-BY-NC-SA, CC-BY-ND oder CC-BY-NC-ND veröffentlicht wurden, ist die Nutzung nicht von der Lizenz gedeckt. Hier muss geklärt werden, ob die Nutzung durch gesetzliche Schranken ermöglicht wird.

2. Schranken

Eine urheberrechtliche Schranke ist eine gesetzliche Gestattung der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken, die nicht der Zustimmung des Urhebers bedarf. Beim Training von Sprachmodellen könnten zwei Schranken einschlägig sein. Ob diese Schranken tatsächlich anwendbar sind, ist derzeit jedoch noch sehr umstritten.


a. § 44b UrhG – Text und Data Mining
Nach § 44b UrhG dürfen zur automatisierten Analyse von digitalen und digitalisierten Werken, also zur
Muster- und Informationengewinnung, Werke vorübergehend vervielfältigt werden. Hier gelten weitere
gesetzliche Grenzen, die bei der Eingabe von Inhalten beachtet werden müssen. Das Werk, das der Nutzer in die KI eingeben möchte, muss rechtmäßig zugänglich sein (vgl. § 44b Abs. 2 UrhG). Diese Voraussetzung liegt vor, wenn ein Werk frei im Internet zugänglich ist oder wenn der Nutzer rechtmäßig einen Zugang erhalten hat, z.B. über den lizenzierten Zugang einer Universitätsbibliothek (NJW, 2023, 3673 ff., Rn. 18). Außerdem darf nach Abs. 3 kein maschinenlesbarer Nutzungsvorbehalt vorliegen. Die Vervielfältigungen sind zu löschen, wenn sie nicht mehr für das Text und Data Mining erforderlich sind.


b. § 60d UrhG – Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung

Darüber hinaus könnte der § 60d UrhG als Schranke greifen, wenn die Vervielfältigungen im Rahmen des Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung genutzt werden. Der § 60d UrhG orientiert sich am § 44b UrhG, weist aber weitere Grenzen auf, um dem wissenschaftlichen Austausch und der Innovation gerecht zu werden. Die Schranke des § 60d UrhG ist demnach auch nur im Bereich der wissenschaftlichen Forschung anwendbar. Im Vergleich zu § 44b UrhG gelten z.B. nicht die Grenzen des rechtmäßig zugänglichen Werkes oder des ausdrücklichen Nutzungsvorbehalts (s.o.). Ob ein Fall der Schranke des § 60d UrhG auch beim Training von Sprachmodellen vorliegt, ist dann zusätzlich vom Zweck des Trainings entscheidend. Das Sprachmodell und das Training müssen der wissenschaftlichen Forschung dienen. Wissenschaftliche Forschung bezeichnet allgemein das methodisch-systematische Streben nach neuen Erkenntnissen (Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 60c Rn. 1). Nicht nur die unmittelbar mit der Erkenntnisgewinnung verbundenen Arbeitsschritte werden erfasst, sondern auch mittelbare Schritte, also solche die auf einen späteren Erkenntnisgewinn gerichtet sind. Dazu gehören z.B. Datensammlungen, um anschließend empirische Schlussfolgerungen zu ziehen. Ein späterer Forschungserfolg wird nicht vorausgesetzt. In einem ersten Urteil hat das Landgericht Hamburg im September 2024 entschieden, dass das Training von KI einen Fall des Text und Data Mining darstellt und unter den Voraussetzungen des § 60d UrhG zulässig ist. Hier klagte ein Fotograf gegen einen gemeinnützigen Verein (LAION e.V.). LAION e.V. entwickelt selbstlernende Algorithmen im Sinne künstlicher Intelligenz fort und stellt diese der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung. LAION e.V. hält kostenfrei Datensätze und Modelle bereit, erstellt und testet eigene KI-Modelle auf Basis der Trainingsdaten (https://laion.ai/about/, letzter Aufruf: 16.04.2025). Der Verein fand ein Foto auf der Webseite Bigstock, auf welcher der Fotograf sein Werk zur Verfügung gestellt hatte, und nutzte dieses für die Erstellung eines Trainingssatzes – LAION 5B. Das LG Hamburg entschied, dass es sich bei dieser Vervielfältigung zur Erstellung eines Trainingsdatensatzes um Text und Data Mining für Forschungszwecke i.S.d. § 60d UrhG handelt (LG Hamburg, Urt. v. 27.9.2024 – 310 O 227/23, Rn. 54). Zur Argumentation führte das LG unter anderem auf, dass in der Gesetzesbegründung von § 60d UrhG das maschinelle Lernen als Basis-Technologie für KI als besonders wichtig eingestuft wurde (BT-Drs. 19/27426, S. 60). Dies ist jedoch bloß eine erstinstanzliche Entscheidung, die derzeit in Berufung ist. Es besteht demnach weiterhin Rechtsunsicherheit.


Fazit

Die Eingabe von lizenzierten Werken in ein Sprachmodell zu Trainingszwecken stellt eine Vervielfältigung dar, die in die Nutzungsrechte des Urhebers eingreift. Diese Nutzung kann jedoch rechtmäßig sein, wenn entweder die Nutzung durch eine entsprechende Lizenz (CC-0, CC-BY oder CC-BY-SA) erlaubt ist oder die Text- und Data-Mining-Schranke greift. Letzteres bleibt jedoch strittig. Die derzeitige Rechtsprechung tendiert zwar zu einer Anwendbarkeit, hat aber bislang noch wenig Aussagekraft. Hier muss die höchstrichterliche Rechtsprechung abgewartet werden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich derzeit, nur entsprechend (CC-)lizenzierte Werke zum Training von KI zu verwenden.

Ist eine Collage urheberrechtlich zulässig? – Fall des Monats März ’25

Herzlich willkommen zur neuen Rubrik der Rechtsinformationsstelle von ORCA.nrw. Das Team der Rechtsinformationsstelle unterstützt Lehrende aus Nordrhein-Westfalen bei rechtlichen Fragen. Im Format „Fall des Monats“ stellt es nun regelmäßig einen besonderen Sachverhalt vor, der sich aus einer zu bearbeitenden Anfrage oder aus aktueller Rechtsprechung ergibt.

Ausgangspunkt

Diese Erstauflage befasst sich mit der urheberrechtlichen Zulässigkeit einer Collage, die sich aus fremden urheberrechtlich geschützten Werken zusammensetzt. Eine Collage ist dabei eine künstlerische, literarische oder musikalische Ausdrucksform, die aus mehren zusammengefügten Elementen besteht (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Collage, letzter Abruf: 11.03.2025).

Rechtliche Bewertung

Auf rechtlicher Ebene stellt sich zunächst die Frage, ob die Einbindung eines fremden Werkes in eine Collage als eine freie Benutzung oder als eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung einzuordnen ist (1.). Da es sich bei einer Collage regelmäßig um eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung handeln dürfte, ist deren Zulässigkeit aufgrund des Zitatrechts (2.) oder als Pastiche (3.) zu prüfen.

1. Keine freie Benutzung gem. § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG

Die Einarbeitung eines Werkes in eine Collage dürfte regelmäßig eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG sein. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG liegt eine freie Benutzung nur vor, wenn die Collage als neues Werk einen hinreichenden Abstand zu dem genutzten Originalwerk darstellt. Bei der Abgrenzung kommt es stets auf den Einzelfall an. Dabei stehen die Übereinstimmungen, nicht die Unterschiede der zu vergleichenden Werke im Vordergrund. Ein hinreichender Abstand liegt nicht vor, wenn das neue Werk auch weitere, abweichende Elemente enthält. (Wandtke/Bullinger/Bullinger, 6. Auflage 2022, § 23 UrhG, Rn.36 und 38). Bei der Erstellung einer Collage wird das Originalwerk mit weiteren Elementen zusammengesetzt. Dementsprechend hat das OLG Köln schon 1997 eine freie Benutzung verneint, wenn aus dem Werkfundus eines Künstlers verschiedene urheberrechtlich geschützte Elemente herausgegriffen und neu kombiniert werden (OLG Köln, Urteil vom 10. 1. 1997 – 6 U 94–96, NJW 1998, 1416).

2. Kein Zitat

Die Einarbeitung eines Werkes in eine Collage dürfte auch nicht als Zitat gemäß § 51 S. 1 UrhG gerechtfertigt sein, obwohl neben dem Textzitat und dem Musikzitat selbst die Übernahme von Bildwerken auch zu nicht-wissenschaftlichen Zwecken vom Zitatrecht als sog. Bildzitat gedeckt sein kann (Dreier/Schulze/Dreier, 7. Auflage 2022, § 51 UrhG, Rn.24 m. w. N.). Allerdings müsste die Übernahme der anderen Werke in ein selbstständiges Werk erfolgen, vgl. § 51 Nr. 1-3 UrhG. Selbstständig ist ein Werk nur, wenn es sich nicht um die Bearbeitung oder andere Umgestaltung des zitierten Werkes handelt (Dreier/Schulze/Dreier, 7. Auflage 2022, § 51 UrhG, Rn.7 m. w. N. und Wandtke/Bullinger/Lüft, 6. Auflage 2022, § 51 UrhG, Rn.8). Bei einer Collage dürften die Einzelteile wegen des neuen Kontextes als Bearbeitungen anzusehen sein (s.o. 1.).

3. Mögliche Pastiche

Die Collage könnte aber als Pastiche gemäß § 51a S. 1 UrhG zulässig sein, der aus den übernommenen Werken zusammengesetzt ist. Der Begriff Pastiche stammt aus dem Unionsrecht und wurde erst vor einigen Jahren ins deutsche Recht umgesetzt, weshalb dieser noch weitgehend ungeklärt ist. So gibt es in der Literatur Stimmen, die ausdrücklich die Collage als mögliche Form des Pastiche nennen (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, 7. Auflage 2022, § 51a UrhG, Rn.20 m. w. N). Die Entscheidung eines Obergerichts steht aber bislang noch aus. In einer der ersten Gerichtsentscheidungen hat das LG Berlin den Begriff wie folgt umschrieben:

Bei dem Pastiche geht es demnach um einen kommunikativen Akt der stilistischen Nachahmung, wobei auch die Übernahme fremder Werke oder Werkteile erlaubt ist. Der Pastiche setzt eine bewertende Referenz auf ein Original voraus […]. Das ältere Werk muss in Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat so benutzt werden, dass es in einer veränderten Form erscheint. Dazu reicht es aus, dem Werk andere Elemente hinzuzufügen oder das Werk in eine neue Gestaltung zu integrieren […]. Da die Schranke der Meinungs- und Kunstfreiheit dient, ist ein Mindestmaß eigener Kreativität des Begünstigten erforderlich, ohne dass dabei die für eine Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderliche Schöpfungshöhe erreicht werden muss. (LG Berlin, Urteil vom 2.11.2021 – 15 O 551/19, The Unknowable, ZUM-RD 2022, S. 498, Rn. 37.)

Die Formulierung des LG Berlin legt nahe, eine Collage als einen Pastiche anzusehen. Allerdings ist noch nicht gesagt, dass sich auch Obergerichte dieser Sichtweise anschließen werden. Dieses Risiko sollte man sich vor Veröffentlichung einer Collage bewusst machen. Ungeachtet der Einordnung als Pastische müsste eine Collage auch die weiteren unionsrechtlichen Nutzungsvoraussetzungen erfüllen. Gemäß Art. 5 Abs. 5 Info-Soc-RL darf eine Ausnahme wie ein Pastiche nur in den Fällen erfolgen

a) in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird

b) und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.

Hierbei ist eine Interessenabwägung im Einzelfall anzustellen. Bei dieser ist das Urheberrecht am jeweiligen Originalwerk mit der Kunstfreiheit des Schöpfers der Collage als Pastiche abzuwägen (BeckOK UrhR/Lauber-Rönsberg, 44. Edition 01.11.2024, § 51a UrhG, Rn.20). Je mehr der Kunstcharakter einer Collage gegenüber kommerziellen Interessen hervortritt, umso eher wird hier die Interessenabwägung zugunsten der Zulässigkeit der Collage ausfallen. Doch auch hier verbleibt ein Restrisiko, dass sich auch im Zweifelsfall das erkennende Gericht dem anschließt.

Fazit

Die Collage dürfte eine Bearbeitung sein, die weder der freien Benutzung unterliegt und auch nicht vom Zitatrecht gedeckt ist (s.o. 1. und 2.). Die Collage könnte aber ein Pastiche sein, wobei die Rechtslage zu diesem Begriff bislang ungeklärt ist (3.). Zudem sind die weiteren unionsrechtlichen Voraussetzungen zu beachten. Auch bei diesen verbleibt ein Restrisiko, weil die Rechtmäßigkeit der Werknutzungen von einer Interessenabwägung im Einzelfall abhängt.