Dürfen OER-Inhalte mit Canva erstellt werden? – Fall des Monats Mai ’25
Das Team der Rechtsinformationsstelle ORCA.nrw unterstützt Lehrende aus Nordrhein-Westfalen bei rechtlichen Fragen. Im Format „Fall des Monats“ stellt es regelmäßig einen besonderen Sachverhalt vor, der sich aus einer zu bearbeitenden Anfrage oder aus aktueller Rechtsprechung ergibt.

Eine Lehrende möchte für ein offenes digitales Lernmodul ansprechende grafische Materialien
erstellen. Dabei greift sie auf die populäre Design-Plattform Canva zurück, die durch ihre einfache
Bedienbarkeit und eine Vielzahl visuell ansprechender Gestaltungsmöglichkeiten überzeugt. Insbesondere
die integrierte Content Library macht es einfach, in kurzer Zeit professionell wirkende
Inhalte zu gestalten. Canva bietet eine breite Palette an Designelementen, darunter Bilder, Grafiken
und Schriftarten, die Nutzende zur Gestaltung eigener Inhalte verwenden können. Doch nach
der Fertigstellung stellt sich die Frage, ob Canva-Inhalte in Open Educational Resources (OER) verwendet
und veröffentlicht werden dürfen.
Ein zentrales Problem besteht darin, dass die Lizenzinformationen der einzelnen Elemente oft unklar
oder schwer auffindbar sind. Viele dieser Elemente stammen von Drittanbietern wie Pexels
und Pixabay, deren Lizenzbedingungen zusätzlich zu den eigenen Nutzungsbedingungen von
Canva beachtet werden müssen. Zwar gibt es eine „Free Content License“ von Canva für kostenlose
Inhalte, jedoch fehlen häufig klare Angaben zu offenen Lizenzen wie Creative Commons (z. B.
CC BY oder CC BY-SA), die für die Erstellung von OER erforderlich sind.
Für die Verwendung von Materialien zur Erstellung von OER ist es essenziell, dass die Inhalte,
wenn sie urheberrechtlich geschützt sind, unter einer offenen Lizenz stehen, die eine freie Nutzung,
Bearbeitung und Weiterverbreitung erlaubt. Urheberrechtlichen Schutz genießen gem. § 2
Abs. 2 UrhG Werke, also persönliche geistige Schöpfungen. Einfache geometrische Formen, die
unter anderem auch in Farbe und Form anpassbar sind, werden in der Regel keine solche Schöpfung
darstellen. Schriftarten können grundsätzlich ein urheberrechtlich geschütztes Werk darstellen,
wenn sie z.B. besonders aufwendige Zierschriften sind.

Canva ist aufgrund seiner einfachen Bedienbarkeit ein beliebtes Tool – aber eignet es sich zur OER-Erstellung?
Zwar dürfen selbst erstellte Inhalte grundsätzlich genutzt werden, problematisch ist jedoch die
Verwendung von Elementen aus der sogenannten Content Library. Diese kann, egal ob es sich
dabei um einen kostenlosen oder kostenpflichtigen Inhalt handelt, urheberrechtlich geschützte
Werke Dritter enthalten. Die von Canva eingeräumten Nutzungsrechte unterliegen dabei strengen
Einschränkungen. So sind alle Inhalte (einschließlich Bilder, Icons, Illustrationen, Videos, Audios,
Schriftarten und Templates) durch Urheberrechte geschützt. Canva und die jeweiligen Urheber
behalten sich sämtliche Rechte vor, die nicht ausdrücklich eingeräumt wurden. Die Lizenzbedingungen
regeln, dass die Inhalte z. B. für Schulprojekte, Social-Media-Beiträge, Printprodukte, Präsentationen
oder digitale Veröffentlichungen verwendet werden dürfen. Eine freie Veröffentlichung
im Sinne von OER, also unter einer offenen Lizenz wie z.B. CC BY, wird jedoch nicht abgedeckt.
Dies gilt auch für kostenlose Inhalte, da diese nicht unter offenen Lizenzen bereitgestellt werden, sondern nur unter den spezifischen Bedingungen von Canva. Werden Inhalte verschiedener Lizenzkategorien kombiniert (z. B. Free und Pro) gelten stets die strengeren Nutzungsregeln. Zudem behält sich Canva das Recht vor, Inhalte auszutauschen und die Lizenzen jederzeit anzupassen.
Für die reguläre Hochschullehre stellt Canva eine Nutzungslizenz bereit, die auch die Verbreitung
von Inhalten innerhalb geschlossener Lehrkontexte erlaubt. Diese Erlaubnis gilt jedoch nicht für
die Veröffentlichung als Open Educational Resource, da hierfür eine offene Lizenzierung erforderlich
wäre, die Canva nicht vorsieht. In diesen Fällen kann auf gesetzliche Schranken, wie z.B. auf
das Zitatrecht gem. § 51 UrhG zurückgegriffen werden, wenn eine inhaltliche Auseinandersetzung
mit dem genutzten Werk stattfindet. Da Inhalte aus der Content Library jedoch meist rein
dekorativen Charakter haben, scheidet diese Möglichkeit in der Praxis häufig aus. Eine freie, offene
Weitergabe, wie sie für OER erforderlich ist, ist dann durch die Lizenzbedingungen ausdrücklich
nicht gestattet.
Die Nutzung von Canva-Inhalten im Kontext von OER ist mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten
verbunden. Insbesondere die unklare Lizenzsituation und die Einbindung urheberrechtlich geschützter
Werke aus der Content Library machen eine offene Weitergabe im Sinne von OER problematisch.
Auch wenn die Plattform kreative Gestaltungsmöglichkeiten bietet, entspricht sie derzeit
nicht den Anforderungen an eine rechtskonforme OER-Erstellung. Für Lehrende und Bildungsakteure
ist es entscheidend, sich mit den Lizenzbedingungen der verwendeten Materialien vertraut
zu machen und sicherzustellen, dass diese mit den Prinzipien von OER übereinstimmen. Wer
rechtliche Risiken vermeiden möchte, kann auf selbst erstellte Inhalte oder auf Materialien aus
eindeutig lizenzierten, offenen Quellen zurückgreifen und gegebenenfalls alternative, quelloffene
Design-Tools in Betracht ziehen. Bei bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Lizenzlage sollte
rechtlicher Rat eingeholt werden.
Melden Sie sich bei rechtlichen Fragen zu Ihrer Lehre an: rechtsinformation@orca.nrw